Um eine Verbreitung des Corona-Virus wo möglich zu verhindern und die Versorgung der Bürger mit Rechtsdienstleistungen trotzdem zu gewährleisten, wurden die digitalen Möglichkeiten im Notariat im Frühjahr 2020 erweitert. Die Neuerung (§ 90a NO) war ursprünglich mit 31. Dezember 2020 befristet. Nun wurde das Gesetz als dauerhaft beschlossen.
„Das Überführen des § 90a NO ins Dauerrecht ist ein großer Schritt in der Digitalisierung von Rechtsdienstleistungen in Österreich“, so Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatskammer, und er betont: „Wir überlegen gemeinsam mit unseren Klienten, wo Online-Werkzeuge Sinn machen, und sie die notarielle Umsetzung ihrer Anliegen unterstützen und erleichtern. Wichtig ist es, die Technik als zusätzliches Dienstleistungsinstrument zu sehen.“ Denn digital wie analog stehen Beratung und Beistand der Menschen im Zentrum notarieller Betreuung. Ziel ist es, dauerhafte rechtliche Lösungen umzusetzen, die möglichst alle Interessen berücksichtigen, und damit letztlich Rechtssicherheit herzustellen.
Digitale Leistungen im Notariat
Notarielle Amtshandlungen können – bei Einhaltung gewisser gesetzlich festgelegter Anforderungen – auch „online“ erfolgen. Konkret handelt es sich dabei um notarielle Protokolle, wie sie z.B. bei Gesellschafterversammlungen erstellt werden. Auch Notariatsakte, die zur Aufnahme von Rechtserklärungen und Rechtsgeschäften dienen, können digital erstellt werden. Ebenso kann die Beglaubigung von Unterschriften online erfolgen. Immobilientransaktionen können demzufolge heute bereits vollständig digital abgewickelt werden.
Ausgenommen von der Digitalisierung sind Testamente und sonstige letztwillige Verfügungen. Sie können weiterhin nicht elektronisch errichtet werden. Der bereits erwähnte § 90a NO hat das Signatur- und Vertrauensdienstgesetz nicht geändert.
Digitaler Workflow und Rechtssicherheit
Bevor ein Notariatsakt oder eine Beglaubigung online erfolgen kann, muss die Identität des Klienten digital festgestellt werden. Dazu gibt es Verfahren, die in der Notar-E-Identifikations-Verordnung geregelt sind. Der Notar führt in diesem Zusammenhang wie bisher allfällige Prüfungen hinsichtlich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durch. Kommunikation, Beratung und individuelles Erarbeiten der Dokumente sind weiterhin zentraler Kern der notariellen Beratung, auch im digitalen Prozess. „Wo persönlicher Kontakt nicht möglich oder sinnvoll ist, kann das per Telefon oder Videokonferenz erfolgen“, erläutert Präsident Umfahrer.
Wenn die Dokumente fertig vorbereitet sind, „treffen“ sich Notar und Klient in einer Videokonferenz. Im Rahmen der Videokonferenz bringt der Klient unter Aufsicht des Notars seine qualifizierte elektronische Signatur an. Danach bringt der Notar bei den Beglaubigungen noch die Beglaubigungsklausel und Beurkundungssignatur auf. Die Dokumente werden anschließend, wie auch bei den analog errichteten Urkunden, dort eingesetzt, wo sie benötigt werden. Also z.B. bei Eingaben an das Grundbuch oder an das Firmenbuch.
Zukunftsweisend: Mehr Selbstbestimmung und Klimaschutz
Dass der Besuch beim Notar nun gleichsam vom Schreibtisch zuhause aus oder im Büro erledigt werden kann, ist ein großer Fortschritt für das österreichische Notariat. Er bringt nicht nur mehr Digitalisierung in den Rechtsverkehr, sondern ermöglicht auch mehr Service und Selbstbestimmung für Menschen, die körperlich eingeschränkt und nicht so mobil ist. Gleichzeitig unterstützt der § 90a NO Vorhaben für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit. ÖNK-Präsident Umfahrer: „Wenn eine Gesellschafterversammlung digital stattfinden kann, muss niemand mehr mit Auto oder Flugzeug anreisen.“
Geschichte der digitalen Anwendungen im Notariat
Im Jahr 2000 hat die ÖNK mit cyberDOC, dem elektronischen Urkundenarchiv des österreichischen Notariats die sichere, vertrauliche, Archivierung und Zustellung von Dokumenten in ein elektronisches Zeitalter geführt. Dieser Schritt war bahnbrechend, das österreichische Notariat hat damit eine Führungsrolle bei e-Government-Lösungen übernommen. Mittlerweile wurden mehr als 2,2 Millionen notarielle Urkunden signiert und nach dem neuesten Stand der Technik verschlüsselt, gespeichert und abgelegt. „Ausbau und Festigung unserer Vorreiterrolle im österreichischen Rechtssystem als Schnittstelle zwischen analoger und digitaler Welt ist ein wesentliches Anliegen“, betont Präsident Umfahrer. Etwa durch die sukzessive Implementierung der Möglichkeit zur digitalen GmbH-Gründung in den österreichischen Notariaten.
Die digitale GmbH-Gründung
Die digitale GmbH-Gründung mit einem Notar ist seit 2019 möglich. Das Modell integriert „analoge“ Leistungen wie Face-to-Face-Identifizierung, persönliche Beratungstermine, Erstellung eines Gesellschaftsvertrages, händische Unterschriften, usw. in einen digitalen Prozess. Die gesetzliche Grundlage wurde durch das am 1. Jänner 2019 in Kraft getretene Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz (ENG) geschaffen. Die Notar-E-Identifikations-Verordnung – NEIV – des Bundesministeriums für Justiz wurde am 2. Jänner 2019 kundgemacht. Die Richtlinien der ÖNK für die Verfahren nach § 69b Abs. 2 Z1 und 2 NO sind in Kraft. Als erster EU-Mitgliedstaat verfügt Österreich damit über eine mit dem EU-Gesellschaftsrechtpaket kompatible Möglichkeit, eine GmbH mit dem Notar digital zu gründen.
Die 523 Notarinnen und Notare in ganz Österreich haben begonnen, die erweiterten Möglichkeiten der digitalen Services in Abstimmung und bei Bedarf mit ihren Klienten als zusätzlichen Weg zu nutzen.